Bundesverwaltungsgericht begründet (abweisende) Eilentscheidung zur Bundesfachplanung

10.05.2021

Klage gegen Korridor-Entscheidung zu Südostlink verfrüht – Sämtliche Kritikpunkte zur Bundesfachplanung sind in einer späteren Klage gegen den das Verfahren abschließenden Planfeststellungsbeschluss vorzubringen

Heute hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Begründung seines ablehnenden Beschlusses vom 24.03.2021 in den Verfahren des Landkreises Wunsiedel, der Großen Kreisstadt Marktredwitz, des BUND Naturschutz in Bayern e. V. und des Landesverbands Bayern der Deutschen Gebirgs- und Wandervereine e.V. bekannt gegeben: Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass die Rechtsbehelfe gegen die  Bundesfachplanungsentscheidung zur Festlegung der Trassenkorridore der Südostlink-HGÜ-Stromtrasse verfrüht
sind. Die in den Klagen vorgebrachten Kritikpunkte könnten vollständig gegen einen späteren Planfeststellungsbeschluss vorgebracht werden. Die Bedenken der Kläger, dann käme der Rechtsschutz zu spät, weil bis dahin vollendete Tatsachen geschaffen wären, zumindest eine gerichtliche Überprüfung nicht mehr effizient sei, teilt das Gericht nicht.

In seiner Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus: „Im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung unterliegt die Bundesfachplanung der Rechtmäßigkeitskontrolle in einem Umfang, der nicht geringer ist, als es bei direkter Anfechtbarkeit der Bundesfachplanungsentscheidung der Fall wäre. Die strikte Bindungswirkung der Bundesfachplanung für die Zulassungsentscheidung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG) führt dabei
dazu, dass Fehler auf die Ebene der Vorhabenzulassung ‚durchschlagen‘ und im Rahmen des hiergegen eröffneten Rechtsbehelfs grundsätzlich ohne Einbuße gerichtlich überprüfbar sind.“ (Seite 22 des Beschlusses).

Das Gericht hat mit seiner Eilentscheidung zahlreiche Rechtsfragen vorweg geklärt:

  • Der Ausschluss von direktem Rechtsschutz gegen Entscheidungen über die Bundesfachplanung ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen Völker- und Unionsrecht, da umfänglicher Rechtsschutz gegen den abschließenden Planfeststellungsbeschluss zulässig ist, noch bevor die Stromleitung errichtet werden darf. Eine Konzentration des Rechtsschutzes auf die abschließende Zulassungsentscheidung diene der Beschleunigung und wirke Prozessverzögerungen entgegen.
  • Die Bindungswirkung der Bundesfachplanungsentscheidung gehe nicht so weit, dass kommunale Vorhaben mit einer hinreichend konkreten und verfestigten Planung nachhaltig gestört oder kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt würden. Die  Bundesfachplanungsentscheidung entfalte im Verhältnis zu geltenden Bauleitplänen der Gemeinden „weder einen normhierarchischen Geltungs- oder Anwendungsvorrang noch eine Anpassungspflicht“ (Seite 11 des Beschlusses).
  • Die Bundesfachplanungsentscheidung entziehe die Fläche des Trassenkorridors nicht gänzlich der durchsetzbaren Planung. Es bestehe nur ein Gebot vorrangiger Berücksichtigung, das lediglich verlange, vorübergehend entgegenstehende Planungen innerhalb des Trassenkorridors aufzuschieben. Würden im Planfeststellungsverfahren Alternativen ausgeschieden, könnte die Gemeinde die frei werdende Fläche sofort überplanen. Die Bundesfachplanungsentscheidung bewirke somit nur eine von der Gemeinde hinzunehmende vorübergehende Planungsverzögerung.
  • Die Bundesfachplanungsentscheidung tritt auch nicht in Konkurrenz zu geltenden Bebauungsplänen. Die zuständigen Bauaufsichtsbehörden dürften daher die Erteilung von Baugenehmigungen nicht unter Hinweis auf die Bundesfachplanung verweigern. „Eine solche Praxis … wäre rechtswidrig.“ (Seite 12 des Beschlusses).
  • Der Bundesfachplanungsentscheidung fehle die Außenwirkung gegenüber Dritten, sie begründet für den Vorhabenträger keine Eingriffsberechtigung in das Eigentum von Grundstücken. Soweit Grundstücke durch Veränderungssperren und Duldungsanordnungen für Vorabmaßnahmen in Anspruch genommen würden, könnten diese vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Klagen angegriffen werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat betont, dass die Bundesfachplanungsentscheidung korrigiert werden muss, sollte sie sich in einem Gerichtsverfahren gegen die spätere Planfeststellung als rechtswidrig erweisen. Auf Fragen der Planrechtfertigung und des Bedarfs ist das Gericht nicht eingegangen, da dies aus prozessualen Gründen nicht mehr erforderlich war.

Rechtsanwalt Wolfgang Baumann, der die Kläger vertritt, zeigt sich mit dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unzufrieden: „Es ist natürlich bedauerlich, dass der SuedOstLink zum jetzigen Zeitpunkt nicht gestoppt werden konnte. Die klagenden Kommunen und Umweltverbände haben aber mit ihren Gerichtsverfahren bisher ihre Rechte vollumfänglich gewahrt, sodass sie sichergehen konnten, auf dem Weg zur Rechtskontrolle der Netzplanung nichts zu versäumen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit der vorliegenden Entscheidung Rechtsklarheit für alle Beteiligten geschaffen.

Erfreulich ist, dass die Bindungswirkung der Bundesfachplanungsentscheidung deutlich eingeschränkt worden ist. Die Gemeinden können von Ihrer Planungshoheit vermehrt Gebrauch machen, beantragte Baugenehmigungen müssen erteilt werden.

Sie dürfen von der Baugenehmigungsbehörde wegen der Bundesfachplanungsentscheidung nicht abgelehnt werden. Klarheit besteht auch insoweit, als das Gericht eine stringente Prüfung der  Bundesfachplanungsentscheidung in einem Gerichtsverfahren gegen die spätere Planfeststellung in Aussicht gestellt hat.“

Würzburg, den 07.05.2021
gez. RA Wolfgang Baumann
Fachanwalt für Verwaltungsrecht