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Sorgfältige Prüfung bei freiheitsentziehenden Maßnahmen

Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen?

  • Bettgitter
  • Bauchgurt im Bett oder am Rollstuhl
  • ein Tisch vor oder ein Brett am Rollstuhl
  • Fixierungen
  • auch Medikamente können freiheitsentziehend wirken
  • verschlossene Türen, versteckte Kleidung, Trickschlösser usw.

Mit solchen Maßnahmen kann ein Betroffener daran gehindert werden, seinen jeweiligen Aufenthaltsort zu verlassen.

Wenn bei einem Betreuten eine freiheitsentziehende Maßnahme angewandt werden soll/muss und sich der Betroffene in einem Heim oder Krankenhaus befindet oder ein Pflegedienst für ihn arbeitet,  muss der Betreuer oder Bevollmächtigte einen Antrag für die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme beim Betreuungsgericht stellen   vgl. § 1831 Abs. 4

Wenn das Gericht einen solchen Antrag genehmigt, darf der Betreuer oder Bevollmächtigte die entsprechende Maßnahme anwenden (lassen). Verantwortlich für die Anordnung und Durchführung der Maßnahme ist also der Betreuer/Bevollmächtigte, nicht der Richter.

Kann sich der Betroffene jedoch nicht mehr bewegen, z. B. bei Bettlägerigkeit, so haben die Bettgitter lediglich einen schützenden Charakter - es muss dann keine freiheitsentziehende Maßnahme beantragt werden.

Einen Schutzcharakter haben Bettgitter auch, wenn ein Betroffener selbst seine Zustimmung zum Hochziehen des Bettgitters gibt. Es muss dann kein Antrag beim Gericht gestellt werden. Der Betroffene muss dafür einwilligungsfähig sein - d.h. die Person muss in der Lage sein, seinen Willen zu erklären und die Bedeutung der Maßnahme zu verstehen.

 Was ist bei einer freiheitsentziehenden Maßnahme zu bedenken?

Schmetterling auf Finger

Bild:Pixabay

  • Der Betreuer oder der Bevollmächtigte darf eine freiheitsentziehende Maßnahme beim Betreuungsgericht beantragen - das Heim muss den Betreuer / Bevollmächtigten ggfs. um einen solchen Antrag bitten.
  • Mitarbeiter einer Einrichtung (Pflegeheim/Klinikum) oder auch der ambulante Pflegedienst klären mit dem Betreuer / Bevollmächtigten, welche Maßnahme erforderlich ist
  • Vorgehen beim Stellen des Antrags auf freiheitsentziehende Maßnahmen:
    • Das Heim füllt zuerst seinen Teil der Stellungnahme aus (mit Beschreibung der Maßnahmen, die zur Vermeidung der Freiheitsentziehung durchgeführt wurden)

    • der Arzt ergänzt den Antrag mit seiner Stellungnahme

    • der Betreuer / der Bevollmächtigte beurteilt die Angaben von Heim und Arzt - wenn er von der Richtigkeit einer solchen Maßnahme überzeugt ist, unterschreibt er den Antrag und gibt ihn an das Amtsgericht weiter

  • Der Richter prüft, ob eine freiheitsentziehende Maßnahme erforderlich ist - er beauftragt dazu einen Gutachter zur Prüfung.  Am Ende der Prüfung entscheidet der Richter, ob er eine freiheitsentziehende Maßnahme genehmigt oder nicht (s.o.: der Verantwortliche für die Ausführung ist der Betreuer / Bevollmächtigte).

  • Ganz wichtig:
    Bevor eine freiheitsentziehende Maßnahme seitens des Betreuers/Bevollmächtigten beantragt wird, sind vorher über einen ausreichend langen Zeitraum alternative Möglichkeiten zu testen. Hüft-Protektoren, Kopfschutz, Balance-Training, Anti-Rutsch-Socken, Niederflur-Betten, Hilfe beim Aufstehen, bessere Beleuchtung, Sensormatten, Anti-Rutsch-Matten und dergleichen mehr können den Betroffenen vor einschränkenden Maßnahmen bewahren. Diese Bemühungen sind zu dokumentieren.

Wegen Sturzgefahr sollten eigentlich keine freiheitsentziehende Maßnahmen erforderlich werden - weniger einschneidende Maßnahmen haben Vorrang.

Haftungsrisiko bei Stürzen
In den vergangenen Jahren hatten Krankenkassen Seniorenheime verklagt, weil sie bei Stürzen eine Verletzung der Obhuts- und Verkehrssicherungspflicht der Heime sahen. Die Kassen waren der Ansicht, es hätten freiheitsentziehende Maßnahmen angewandt werden können und wollten daher Regress für die Behandlungskosten erstreiten.

Diesbezüglich sind zwei Urteile des Bundesgerichtshofs interessant:
            AZ III ZR 399-04                             AZ III ZR 391-04

Hier konnten sich die Krankenkassen mit ihren Forderungen nicht durchsetzen. Natürlich kann niemand vorhersagen, ob künftig nicht erneut Versuche stattfinden,  Regress bei Seniorenheimen, evtl. sogar bei Betreuern oder Bevollmächtigten, einzuholen.

Eines sollten Sie dennoch in Zusammenarbeit mit dem Seniorenheim prüfen: Mit welchen weniger einschneidenden Mitteln kann eine freiheitseinschränkende Maßnahme vermieden werden?

Sie als Betreuer oder Bevollmächtigter sind die Person, die bestimmt, ob eine freiheitsentziehende Maßnahme nach deren richterlichen Genehmigung angewandt wird oder nicht. Sie müssen auch die Beendung der Maßnahme an das Gericht melden. Prüfen Sie gegebenenfalls auch, ob eine Bestimmung im Beschluss zur freiheitsbeschränkenden Maßnahme eingehalten ist: Das Personal muss während der Einschränkung für den oder die Betroffene stets erreichbar sein. 

Auf ein Wort ...

Bevor Sie als Betreuer oder Bevollmächtigter einem Heim oder einem Pflegedienst gegenüber die Durchführung einer freiheitsentziehenden Maßnahme anordnen, überlegen Sie bitte, wie Sie diese Maßnahme empfinden würden, wenn Sie an der Stelle des Betroffenen wären.

Wenn es z.B. um ein Bettgitter geht: Wäre es Ihnen lieber, wenn die ganze Zeit die Bettgitter hochgezogen sind, obwohl Sie einen hohen Bewegungsdrang haben oder würden Sie dann ein Niederflurbett (niedriges Bett) und eine Matratze davor haben wollen, damit Sie sich ggfs. etwas befreiter bewegen können? Welche Gedanken haben Sie, wenn Sie das Bettgitter überwinden wollen, aber Sie können nicht ...  wenn Sie praktisch ins Bett gezwungen werden?

Bitte wenden Sie freiheitsentziehende Maßnahmen, wenn sie unvermeidbar sind,  mit Augenmaß an.