Kreishaushalt 2023 verabschiedet

Trotz Konsolidierung werden wichtige Zukunftsthemen weiterentwickelt

Der sprichwörtlich spitze Bleistift ist in den vergangenen Monaten im Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge maximal strapaziert worden. Bei der Aufstellung des Kreishaushalts für das laufende Jahr kam ausnahmslos jeder Posten auf den Prüfstand. Das Ergebnis ist ein Haushalt, der unter schwierigen Rahmenbedingungen ein vertretbares Fundament zur Aufgabenerfüllung darstellt. Dem Kreistag konnte am gestrigen Abend nach monatelangem Ringen ein ausgeglichener Haushalt präsentiert werden, der in der vorgelegten Form auch einstimmig beschlossen wurde.

„Ich freue mich, dass es uns zum Beispiel gelungen ist, an den großen und wichtigen Investitionen im Bereich unserer Pflichtaufgabe Bildung festzuhalten“, sagt dazu Landrat Peter Berek. „Im Bereich der Schulen nehmen wir insgesamt 12,5 Millionen Euro in die Hand. Damit grundsanieren wir die Dreifachsporthallen in Selb und Marktredwitz, wir treiben die Planung für das Designstudio der Fachschule für Produktdesign in Selb voran, erstellen in Modulbauweise ein Gebäude für die Fachoberschule Marktredwitz und beenden die Arbeiten an den Außenanlagen der Fichtelgebirgsrealschule. Aber wir investieren zum Beispiel mit zahlreichen Glasfaseranschlüssen auch in die digitale Infrastruktur unserer Schulen, sowie in die technische Ausrüstung der Staatlichen Berufsschulen Selb und Marktredwitz-Wunsiedel. Dabei achten wir darauf, die eingesetzten Mittel vernünftig und effizient zu verwenden, so dass nach der Sanierung ein zeitgemäßer und vor allem digitaler Schulbetrieb in einem energetisch sanierten Schulgebäude ermöglicht wird.“

Auch im Bereich der Kreisentwicklung ermöglicht die Haushaltssituation, wichtige Handlungsfelder konsequent weiterzuentwickeln. Als Beispiele kann man das Smarte Fichtelgebirge oder den Bereich Klimaschutz unter anderem mit der Wasserstoffmodellregion Fichtelgebirge nennen. Aber auch die Imagekampagnen #freiraumfürmacher und #freiraumfichtelgebirge werden weiterverfolgt; gleiches gilt für die Bemühungen bezüglich neuer Unternehmensansiedlungen im Landkreis. Im Gesundheitsamt stehen Digitalisierungsprojekte an und auch die Arbeit des Jugendamts mit seine zahlreichen Präventions- und Hilfsangeboten ist finanziell entsprechend ausgestattet. Ebenso wird das Stipendienprogramm zur Hausärzte-Gewinnung der Gesundheitsregion Plus fortgeführt.

Lebensqualität im Fichtelgebirge weiter verbessern

„Dies sind nur einige Beispiele, mit welchen wir im laufenden Jahr daran arbeiten, unseren Landkreis strukturell zu stärken. Wir dürfen gerade in finanziell schwierigen Zeiten nicht nachlassen, um die großen Anstrengungen der letzten Jahre nicht zu konterkarieren. So sehr sich viele Parameter zum Besseren entwickelt haben und so gut die Stimmung und das Selbstverständnis auch wieder gewachsen ist, dürfen wir die allgemeinen Strukturdaten doch nicht außer Acht lassen. Noch immer sind Struktur-, Demographie- und Arbeitsmarkdaten unseres Landkreises nicht da, wo wir sie haben wollen. Und noch immer fehlen uns zu der Zeit vor dem Einbruch der Leitindustrie Keramik mehrere Tausend Arbeitsplätze. Deswegen erwarten unsere Bürger zurecht von uns allen, dass wir uns weiter mit größter Kraft für die Kreisentwicklung einsetzen“, erklärt Landrat Peter Berek.

Man müsse und werde im Landratsamt noch effizienter arbeiten, um in einer angespannten Haushaltssituation das Maximale herauszuholen, so Berek weiter. Vor diesem Hintergrund sei auch die steigende Anzahl an interkommunalen Kooperationen als extrem positiv zu bewerten. Aufgaben zu bündeln habe sich im Bereich des Flächenmanagements, der überfälligen Elektrifizierung der Bahnlinien oder auch bezüglich der im Landratsamt angesiedelten Koordinierungsstelle zur Endlagersuche bewährt.

Auch in das Zukunftsthema Mobilität werde man in diesem Jahr weiter investieren. Seit Jahren arbeite man daran, wirtschaftlichere aber auch flexiblere Angebote für den ländlichen Raum anbieten zu können. Mit dem Beitritt zum VGN, sowie dem Start des fichtelflitzer (Schnellbuslinie Selb-Marktrewitz-Waldershof-Mitterteich) und des fichtelflexi (On-Demand-Verkehr im Raum Selb-Schönwald-Rehau) können man den Bürgerinnen und Bürgern echte Fortschritte bieten.

„Um all dies möglich zu machen, mussten Investitionen an anderer Stelle aber auch verschoben oder auf einen längeren Zeitraum gestreckt werden“, stellt der Landrat klar. „Einige Dinge, die uns wichtig gewesen wären, werden wir in diesem Jahr nicht anpacken können, weil wir hier Finanzierungsmittel zurückfahren mussten.“ Peter Berek nennt hier beispielsweise die Sanierung des Otto-Hahn-Gymnasiums, die in mehrere Bauabschnitte aufgeteilt ist, oder die erforderliche Bodensanierung der Realschulturnhalle in Wunsiedel. Bei diesen Maßnahmen werden derzeit die Planungen und Beratungen mit Fördergebern vorangetrieben.  

„Trotz aller Einsparungen haben wir unsere Rücklagen komplett aufbrauchen müssen“, erklärt Peter Berek. „Dies war nötig und sinnvoll, um unsere Städte und Gemeinden nicht noch stärker belasten zu müssen. Es ist natürlich bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, die Kreisumlage stabil zu halten. Sie steigt von bislang 46,4 auf 49,9 Prozentpunkte. Das ist nicht gut, zumal unsere Erhöhung um 3,5 Prozentpunkte zu den höchsten Anstiegen in Bayern gehört. Umso wichtiger war es von Beginn an, die Kreisgremien, die Fraktionen sowie die kommunale Familie in die Erarbeitung und Entwicklung des Haushaltes einzubeziehen. Wir haben stets mit großer Transparenz die Entwicklung des diesjährigen Haushalts dargelegt und zur Diskussion gestellt.“

Berek weiter: „Die Gründe für diese Situation sind vielfältig und komplex. Die Struktur-, Demographie- und Arbeitsmarkdaten unseres Landkreises habe ich bereits genannt. Hier habe man Fortschritte gemacht, die aber noch bei Weitem nicht ausreichen, um aus eigener Kraft größere Handlungsfähigkeit zu erlangen. Die extrem hohen Sozialausgaben von 18,5 Millionen Euro (plus 2,5 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr) sind in Teilen auch darauf zurück zu führen. Darin finden sich aber auch Belastungen, die der ungebrochenen Zuweisung von Geflüchteten geschuldet sind. Dazu kommt die finanzielle Lage im Klinikum Fichtelgebirge, die sich nahtlos in die Situation anderer Kliniken einreiht. Alleine in Bayern sind aktuelle 90 Prozent der Kliniken defizitär bis hochdefizitär. Da kann man nur von einem Systemversagen auf dem Rücken der Gesundheit suchenden Menschen sprechen. Für den Landkreis ist diese finanzielle Entwicklung nicht lange tragbar. Wir vor Ort können nur im engen Rahmen an einer Verbesserung arbeiten, die Lösungen, die es schnellstmöglich braucht, haben wir leider nicht in der Hand.“

Konkrete Forderungen

Vor diesem Hintergrund stellt der Landrat konkrete Forderungen auf: „Meine kommunalpolitischen Forderungen – und ich glaube, dahinter kann sich der Kreistag mit allen Fraktionen gut wiederfinden – möchte ich angesichts der aktuellen Situation an drei Punkten festmachen.

Erstens: Wir brauchen weiterhin eine Strukturpolitik des Freistaats, um gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern zu ermöglichen.

Zweitens: Das kommunale Selbstverwaltungsrecht muss gerade bei finanzschwachen Kommunen hochgehalten werden. Denn nur, wenn die Menschen vor Ort an ihrer Heimat mitgestalten dürfen – und dazu bedarf es einer faktischen Finanzhoheit – werden wir Bayern gleichwertig entwickeln können. Gleichzeitig stärken wir damit die Demokratie an der Basis. Denn wenn wir die Bürgerinnen und Bürger unseres Landkreises mitnehmen, wenn sie Teil der Entwicklung ihres Landkreises sein dürfen, wird der Nährboden für Extremismus entzogen.

Drittens: Ich will bewusst nicht mehr Stellen und Geld für immer mehr Aufgaben einfordern. Stattdessen will ich im Sinne von uns allen, dass wir Entschlacken. Wir brauchen weniger Aufgaben, wir brauchen weniger Bürokratie, wir brauchen effizientere Verfahren und wir brauchen mitunter auch vernünftigere Standards. Das alles brauchen wir aus finanziellen Gründen, aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit und erneut auch für unsere Demokratie. Denn je komplexer und bürokratischer unser Tun ist, umso weniger haben unsere Bürgerinnen und Bürger die Chance der Teilhabe.“