ZeitSpuren

Der Wasserfall im Thus bei Röslau

Der Wasserfall an der Eger ist nicht natürlichen Ursprungs, sondern wurde gegen Ende des 19. Jh. im Zusammenhang mit dem Bau der Pappenfabrik Böttcher und des Thusgrabens künstlich angelegt. Es handelt sich wohl um das schönste Industriedenkmal Bayerns.

1893 ersuchte der aus Pobershau im Erzgebirge stammende Oskar Böttcher die Gemeinde Oberröslau, im Gemeindewald Thus eine Pappenfabrik errichten zu dürfen. Wesentliche Standortfaktoren waren die Wasserkraft der Eger und das in der Umgebung reichlich vorhandene Holz, welches als grundlegender Rohstoff zur Herstellung von Papier und Pappe diente. Die Holz- und Lederpappenfabrik Oskar Böttcher wurde 1894 gegründet.

Als eine der ärmsten Gemeinden des Bezirksamts Wunsiedel hoffte man in der Zeit kurz vor 1900 auf die Entstehung von zahlreichen industriellen Arbeitsplätzen, einen deutlichen Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen und damit auf einen spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung - schließlich waren die Porzellanfabrik Winterling und das Stahl- & Drahtwerk ja in der politischen Gemeinde Grün bzw. Unterröslau ansässig. Bis zur Gründung der Firma Heibl war die Pappenfabrik Oskar Böttcher der einzige Industriebetrieb und damit der größte Arbeitgeber in der damaligen Gemeinde Oberröslau.  Vor dem 2. Weltkrieg beschäftigte die Firma etwa 40 Arbeitskräfte.

Unterhalb der Ortschaft Franken wurde aus dem Bachbett der Eger Wasser abgezweigt und im eigens dafür angelegten Thusgraben zur Pappenfabrik geleitet. Der Thusgraben ist etwa 1100 m lang und verläuft auf der südlichen Talhöhe über dem Tal der Eger. In der Fabrikanlage wurde das dadurch entstandene Gefälle zur Stromerzeugung für den Eigenbedarf genutzt; bei Spitzenbedarf belieferte die Firma zeitweise auch die damalige BELG. Etwa 250 m westlich der Pappenfabrik wurde der heutige Wasserfall als Über­lauf vom Thusgraben zur 25 m tiefer im Tal fließenden Eger errichtet, um im Augenblick nicht benötigtes Wasser abzuleiten.

Die Pappenfabrik Böttcher ging in den 1960er Jahren in Konkurs. Die Produktionsanlagen, das Turbinenhaus und die Trockenscheunen wurden im Laufe der folgenden Jahre nach und nach abgerissen. Im ehemaligen Fabrikhof, der heute einen verwahrlosten Anblick bietet, sind noch die Reste einiger Nebengebäude zu sehen. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Böttcher steht ebenfalls seit vielen Jahrzehnten leer und verfällt.

Walter Rößler